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„Die in Bärn mache sowieso was si wei“

Ansprache von Nationalrat Walter Wobmann zur Bundesfeier 2014, gehalten am 31. Juli 2014 in Trimbach. Warum sollten Sie, meine Damen und Herren, sich an Gesetze halten, wenn sich diejenigen, die Gesetze machen, nicht an Volksentscheide halten?

Ansprache von Nationalrat Walter Wobmann zur Bundesfeier 2014, gehalten am 31. Juli 2014 in Trimbach. Warum sollten Sie, meine Damen und Herren, sich an Gesetze halten, wenn sich diejenigen, die Gesetze machen, nicht an Volksentscheide halten?

von Nationalrat Walter Wobmann

Es freut mich sehr, dass ich als Nationalrat aus Gretzenbach hier in Trimbach die 1. August-Rede halten darf. Das ist eine grosse Ehre. Ich mache das immer wieder sehr gerne und es bedeutet mir auch sehr viel.

Wir feiern heute den 723. Jahrestag der Gründung der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Wenn wir das tun, sollten wir immer das Gemeinsame suchen. Den grössten gemeinsamen Nenner. Das, was uns verbindet. Wir sollten aber auch die Grösse und Kraft haben, Probleme anzusprechen, die uns trennen. Dort, wo wir nicht gleicher Meinung sind. Ich möchte das heute in meiner Ansprache beides tun.

Als ich vor Jahren an vorderster Front mit der Volksinitiative gegen den Bau von Minaretten oder im vergangenen November mit dem Referendum gegen die 100-Franken-Autobahnvignette mit grossem Engagement und Zeitaufwand angetreten bin, stiess ich auf Zuspruch und heftigen Widerstand. Obwohl die beiden Themen Minarette und Vignette ähnlich klingen, hatten sie kaum etwas miteinander zu tun. Aber eine Gemeinsamkeit gab es. Befürworter und Gegner zogen sich durch alle politischen Lager hindurch.

Entgegen den offiziellen Parolen der Parteien unterstützten sogar Linke die Minarett-Initiative und Leute aus meiner eigenen Partei bekämpften sie.

Gleich war es bei der Vignette, wo sogar Grüne mit mir gegen die 100-Franken-Vignette kämpften und ich nicht wenigen Bürgerlichen im Lager der Befürworter gegenüberstand.

Bis dahin mir wildfremde Menschen meldeten sich, und halfen mit, sei es bei der Unterschriftensammlung oder im Abstimmungskampf. Seite an Seite kämpfte ich erstmals nicht bloss mit eigenen Parteikolleginnen und –kollegen, sondern mit Leuten, die eigentlich der CVP, EVP, FDP, ja sogar dem linken Lager angehörten oder nahe standen.

Zuerst hat mich das erstaunt. Heute stelle ich fest, dass wir immer mehr politische Fragestellungen haben, die nicht mehr nach dem klassischen Parteimuster eingeordnet werden können.

  • Denken Sie nur an die Abstimmung über den Gripen-Kampfjet, der auch von bürgerlichen Kreisen abgelehnt wurde.
  • Denken Sie an die Masseneinwanderungs-Initiative, die auch von linken Kreisen unterstützt wurde.
  • Denken Sie an die Abzocker-Initiative oder die Zweitwohnungs-Initiative, die selbst in den bürgerlichen Lagern auf Zustimmungen stiessen.
  • Denken Sie an die Rückstufung des Bettages im Kanton Solothurn zu einem normalen Feiertag. Niemand hätte vor der Abstimmung darauf gewettet, dass der Bettag im einst streng katholischen Kanton Solothurn abgewertet werden könnte.

Heute ist es nicht mehr der Röstigraben zwischen der Deutschschweiz und der französischen Schweiz, oder die Parteizugehörigkeit, sondern es ist die persönliche Betroffenheit der einzelnen Menschen, die über Annahme oder Ablehnung einer politischen Vorlage entscheidet. Das führt dann eben dazu, dass sich die Zustimmung oder Ablehnung immer häufiger quer durch die Parteienlandschaft zieht.

Wenn Sie denken, das sei gut so, denn das verlange von den Politikern ein ehrlicheres und noch bürgernäheres Verhalten, liegen Sie eigentlich richtig. In der Realität aber passiert genau das Gegenteil.

Politiker, Verbände und Funktionäre, die sich bislang auf die klassischen Kräfteverhältnisse der Parteien in der Schweiz und Seilschaften in Armee, Politik und Wirtschaft verlassen konnten, werden plötzlich vom „unberechenbaren Volk“ gestört. Ein Volk, das sich scheinbar nicht mehr an die politischen Normen und Gegebenheiten halten will.

Das Resultat: Immer mehr Politiker, ja sogar der Bundesrat, die Verwaltung und Parteien beginnen, die Volksrechte in Frage zu stellen.

Nach der Masseneinwanderungs-Initiative gab es doch tatsächlich Politiker, die eine Wiederholung der Abstimmung verlangten – so lange, bis ein Ergebnis herauskommt, das ihnen passt.

Andere wollen die Initiative quasi „light“, also abgeschwächt umsetzen. Dabei hat die Mehrheit des Volkes klar entschieden, dass die Schweiz die Zuwanderung über Kontingente wieder selber steuern soll. Es gibt keine Schwangerschaft „light“. Entweder ist es so – oder nicht. So ist es auch bei Volksentscheiden.

Wieder andere wollen die Unterschriftenzahl für Referenden und Initiativen nach oben setzen, um die Hürden für Volksbegehren möglichst unerreichbar zu machen.

Und dann gibt es meiner Meinung nach die Gefährlichsten, die Volksentscheide von einem Gericht prüfen und für gültig oder ungültig erklären lassen wollen.

In all den Jahren in Bundesbern habe ich eines festgestellt: Das Volk draussen an der Basis hasst nichts so sehr, wie wenn Volksentscheide nicht umgesetzt oder verzögert werden. Der Stammtisch-Spruch: „Die in Bärn mache sowieso was si wei“ ist zwar uralt, aber in den letzten zehn Jahren läuft es leider in genau diese Richtung.

Die Bundesräte sind Angestellte des Volkes. Aufträge der Stimmbürger haben sie auszuführen. Egal ob es an der Urne ein Ja oder ein Nein gegeben hat. Werden Volksentscheide nicht mehr umgesetzt, sind auch unsere Gesetze, die wir im Parlament machen, nichts mehr wert.Warum sollten Sie, meine Damen und Herren, sich an Gesetze halten, wenn sich diejenigen, die Gesetze machen, nicht an Volksentscheide halten?

Man kann links, rechts, in der Mitte oder überhaupt nicht politisieren – aber in einem Punkt sind wir uns wohl alle einig: Wenn Volksentscheide in Frage gestellt oder je nach Gusto ausgelegt werden können, sind sie nichts mehr wert. Und dann ist unsere direkte Demokratie nichts mehr wert.

Das darf nicht passieren. Deshalb müssen wir Versuchen, die Volksrechte zu beschneiden und die direkte Demokratie zu schwächen entschieden entgegen treten.

Die nächste Gelegenheit dazu kommt mit dem Mandat für eine „institutionelle Einbindung“ der Schweiz in die EU. Damit es ein bisschen besser tönt, spricht Bundesbern von den „Bilateralen III“ oder einem „Rahmenabkommen“.

Wem die Eidgenossenschaft am Herzen liegt, wer den Eindruck hat, dass wir in den letzten Jahren nicht besser waren als die anderen Länder, aber weniger Fehler als andere gemacht haben, der oder die wehrt sich entschieden gegen diese „institutionelle Einbindung“ in die EU. Denn mit diesem Abkommen wird alles in Frage gestellt, was die Eidgenossenschaft ausmacht.

Im Mandat für Verhandlungen bezüglich der „institutionellen Einbindung“ in die Strukturen der EU macht der Bundesrat der EU Zugeständnisse in einem Ausmass, das einer Selbstaufgabe der Eidgenossenschaft gleichkommt.

Gleich mehrfach verstösst er gegen die Bundesverfassung, wenn er sich bereit erklärt, fremdes Recht automatisch zu übernehmen und den Europäischen Gerichtshof als oberstes Gericht bei Streitfällen mit der EU zu akzeptieren.

Stellen Sie sich das vor: Die Schweiz streitet mit der EU über ein bilaterales Abkommen und am Schluss entscheidet der Europäische Gerichtshof der EU. Das ist ja, wie wenn eine Fussballmannschaft auch gleich den eigenen Schiedsrichter mitbringt.

In Art. 2 unserer Bundesverfassung ist der Zweck der Eidgenossenschaft festgehalten. Darin heisst es in Abs. 1 wörtlich: „Die Schweizerische Eidgenossenschaft schützt die Freiheit und die Rechte des Volkes und wahrt die Unabhängigkeit und die Sicherheit des Landes.“

Wie in aller Welt will der Bundesrat die Unabhängigkeit der Schweiz wahren, wenn er die Schweiz verpflichtet, die Rechtsetzung aus Brüssel automatisch zu übernehmen und andernfalls Sanktionen zu akzeptieren? Und wie in aller Welt will er die Rechte des Volkes (zu denen auch die politischen Rechte gehören) schützen, wenn er die Entscheidungsgewalt aus den Händen der Bürger reissen und sie zu den EU-Funktionären transferieren will?

In Art. 5 Abs. 3 der Bundesverfassung heisst es weiter: „Staatliche Organe und Private handeln nach Treu und Glauben.“ Der Bundesrat sagt A, macht aber B. So liess er beispielsweise verlauten, er wolle die Masseneinwanderungs-Initiative buchstabengetreu umsetzen, arbeitet aber zum gleichen Zeitpunkt im Hintergrund auf ein Rahmenabkommen hin, welches die Personenfreizügigkeit durch die Hintertür wieder einführen soll, da der EU die letztendliche Entscheidungsbefugnis darüber übertragen wird. Das hat mit Treu und Glauben nichts mehr zu tun.

Der Bundesrat behauptet, man brauche das Rahmenabkommen mit der EU, um den „bilateralen Weg“ zu stärken. Das ist offensichtliche Täuschung.

Unter Kooperation mit bilateralen Verträgen versteht man die Zusammenarbeit unter gleichberechtigten, ebenbürtigen Partnern auf Augenhöhe. Die institutionelle Einbindung in die EU-Strukturen, die der Rahmenvertrag zur Folge hätte, wäre hingegen eine Unterwerfung der Schweiz. Der Volksauftrag „Kooperation mit der EU mittels bilateralen Verträgen“ wird mit diesem Abkommen gründlich missachtet, da die „institutionelle Einbindung“ den bilateralen Weg beendet, nicht stärkt und die Schweiz zu einem unilateralen Befehlsempfänger degradiert.

Die Schweiz ist das weltweit zweitbeste Abnehmerland für Waren aus der Europäischen Union. Wir haben als Kundin der EU China überholt, Japan weit zurückgelassen und stehen unmittelbar hinter den USA.

Es gibt in der EU nicht nur Juristen und Bürokraten. Es gibt in der EU auch Unternehmer, die ganz bestimmte Interessen verfolgen. Sie glauben doch nicht im Ernst, dass Länder wie Holland, Belgien, Deutschland, Italien, Griechenland oder Spanien zulassen würden, dass der Transitvertrag durch die Schweiz gekündigt würde? Dieser Transitvertrag gestattet den Lastwagen aus EU-Ländern die Durchfahrt durch die Schweiz für dreihundert Franken.

Der Schweiz erwachsen pro Lastwagen um die neunhundert Franken an Kosten. Jede Transitfahrt wird von der Schweiz also mit sage und schreibe sechshundert Franken subventioniert. Die Transporteure der EU-Länder sind doch nicht so dumm, auf diese sechshundert Franken Subvention pro Transitfahrt zu verzichten und stattdessen lange, teure Umwege in Kauf zu nehmen! Dazu sind Unternehmen, die auf Profit angewiesen sind, nicht bereit – was immer die Bürokraten zu Brüssel wollen.

Bezüglich landwirtschaftlicher Exporte und Importe, etwa von Käse, sind die Verhältnisse ähnlich. Die Schweiz importiert weit mehr Käse aus der EU als dass sie Käse in die EU exportiert. Glaubt jemand, die französischen Bauern würden begeistert zustimmen, wenn der ihnen heute mögliche Exporterfolg von Käse durch EU-Brüssel verunmöglicht würde?

Diese paar Beispiele über die wirtschaftliche Interessenlage in der Schweiz und in der EU sind wichtig. Doch leider werden unsere Stärken in Verhandlungen mit der EU oder anderen Staaten viel zu wenig aufgezeigt und eingesetzt.

Ich rufe Sie am heutigen Geburtstag der Eidgenossenschaft dazu auf, wachsam zu sein. Das Verhältnis der Schweiz zur EU ist zentral und wird die wichtigste politische Frage der nächsten Monate und Jahre. Hinterfragen Sie schönfärberische Worthülsen aus Bundesbern – vor allem wenn es um die EU geht. Dahinter steckt meistens die Übernahme oder Unterstellung unter fremdes Recht. Wollen wir das? Ich nicht. Und ich weiss, dass es die meisten von Ihnen auch nicht wollen.

In diesem Sinne bitte ich Sie, zusammen zu stehen, wenn es darauf ankommt. Am besten geht das immer noch an der Urne, bei Abstimmungen und Wahlen.

Ich wünsche Ihnen und Ihren Familien eine schöne Bundesfeier und ein angenehmes Wochenende. 

 

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