Scheinheiligkeit und kurzes Gedächtnis
Ein Leserbrief zur Berichterstattung der AZ Medien über das Klima-Urteil des EGMR.
Scheinheiligkeit ärgert mich masslos. Im Hauptartikel zum Klima-Urteil des EGMR (Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte) steht: «Doch auch für die Mitte und die FDP ist klar: in der direkten Demokratie könnten Gerichtsurteile nicht Volksentscheide wie das Nein zum CO2-Gesetz umstossen.» Falsch! Gar nichts ist klar. Am 25.11.2018 wurde über die Volksinitiative der SVP «Schweizer Recht statt fremde Richter (Selbstbestimmungsinitiative)» abgestimmt. Dort wurde gefordert: «Die Bundesverfassung steht über dem Völkerrecht und geht ihm vor, unter Vorbehalt der zwingenden Bestimmungen des Völkerrechts.» CVP und BDP – heute die Mitte – waren dagegen. Ebenso die FDP. Diese lehnte an ihrer Delegiertenversammlung am 29.09.2018 in Pratteln BL die Initiative gnadenlos ab mit 293 Nein und nur 10 Ja. Und jetzt soll plötzlich klar sein, dass das Gegenteil gilt, also doch Volksentscheide höherwertig sind als Gerichtsurteile? Entweder hatte die FDP ein wundervolles Erweckungserlebnis, oder sie ist übelst scheinheilig. Vielleicht reicht auch nur ihr Gedächtnis nicht zurück bis 2018. Wie auch immer, die SVP verlor die Abstimmung mit 66.3 % Nein-Stimmen. Wahnsinn! Jetzt müssen eben die Stimmbürger die Suppe auslöffeln, die sie sich eingebrockt haben. Geliefert wie bestellt. Zum Glück werde ich nicht mehr lang genug leben, um mitansehen zu müssen, wie mein Lieblingsland – mit Zustimmung des Volkes! – von «fremden Richtern» drangsaliert wird.
CHristoph Balluff, Bettlach