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Grindel ist Schweiz

Ansprache von Kantonsrat Silvio Jeker, Präsident der SVP Kanton Solothurn, zum Nationalfeiertag am 1. August 2014 in Grindel (SO).

Ansprache von Kantonsrat Silvio Jeker, Präsident der SVP Kanton Solothurn, zum Nationalfeiertag am 1. August 2014 in Grindel (SO).

Es freut mich sehr, dass ich als Kantonsrat aus Erschwil hier in Grindel die 1. August-Rede halten darf. Das ist eine grosse Ehre. Deshalb habe ich auch meine Familie mitgebracht, die gerne dabei sein wollte.

Wir feiern heute den 723. Jahrestag der Gründung der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Und das tue ich mit einer Einschätzung der Lage der Schweiz. Meine Lagebeurteilung ist geprägt von grosser Sorge einerseits, von Zuversicht andererseits.

Grindel liegt Gott sei Dank etwas abseits. In Solothurn und erst recht in Bundesbern rümpft man gelegentlich die Nase über so viel Abgeschiedenheit. Damit ist Grindel aber nicht alleine. Auch ober der Schweiz rümpft man sich im fernen Brüssel die Nase. Grindel ist also Schweiz.

Soviel Abgeschiedenheit wie sich die schweizerische Eidgenossenschaft leistet – und sich abwendet von der Brüsseler Betriebsamkeit – das gehe nicht, meinen EU-Funktionäre.

Umfragen zeigen, dass nur etwa 15 Prozent der stimmberechtigten Schweizer Bevölkerung den Beitritt der Schweiz zur EU wünscht. Der grösste Teil der Schweizerinnen und Schweizer ist also nach wie vor entschieden oder mehrheitlich gegen einen Beitritt. Und der Teil jener, die gegen einen EU-Beitritt sind, nimmt seit Jahren zu.

Wenn ich mich also in meiner 1. August-Rede kritisch über die EU äussere, laufe ich rein rechnerisch Gefahr, 15 Prozent der hier Anwesenden auf die Füsse zu trampen. Auf der anderen Seite mache ich 85 Prozent der Anwesenden glücklich – und das ist, meine ich, schon mal ein guter Schnitt für einen SVP-Politiker.

85 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer sind also gegen einen EU-Beitritt der Eidgenossenschaft. Kein Grund also, den Teufel eines baldigen EU-Beitritts der Schweiz an die Wand zu malen, werden Sie denken. Doch Vorsicht: Es gibt Kräfte in unserem Land, die am Beitritt durch die Hintertüre arbeiten. Schleichend. Nach aussen zeigen sie das natürlich nicht.

Wenn doch angeblich fast niemand in die EU will, warum beschäftigen sich dann auf Bundesstufe Heerschaaren von so genannten „Spin-Doktoren“ damit, immer neue, auf den ersten Blick harmlos klingenden Tarnbegriffe zu entwickeln, mit denen unsere Bevölkerung über die wahren Absichten gegenüber der EU getäuscht werden soll.

Hand aufs Herz: Wissen Sie, was damit gemeint ist, wenn von „Erneuerung des bilateralen Wegs“ oder „institutioneller Einbindung“ die Rede ist. Ich kann Ihnen versichern, mir standen meine kurzen Haare zu Berge, als ich las, was dahinter steckt. Ich komme später noch darauf zu sprechen.

EU als intellektuelle Fehlkonstruktion

Dank der siegreichen EWR-Abstimmung vom 6. Dezember 1992 ist die Schweiz heute nicht Mitglied der Europäischen Union. Darum dürfen wir heute Abend als Bürger eines eigenständigen, unabhängigen Staates zusammenkommen, in welchem seit Hunderten von Jahren die Schweizer selbst bestimmen, was hier geht und zwar in direkter Demokratie an der Urne, an Gemeindeversammlungen oder sogar an Landsgemeinden.

Im Gegensatz dazu erwies sich die viel gelobte EU als intellektuelle Fehlkonstruktion. Wir sehen dort nicht die im Vorfeld der EWR-Abstimmung versprochene Vollbeschäftigung, sondern Arbeitslosigkeit, nicht blühende, sondern bankrotte Staaten, keinen Wohlstand, sondern eine tiefe Schuldenkrise.

Nicht die Abschottung und Isolation der Schweiz, mit der uns viele EU-Befürworter immer wieder drohen, wurde Tatsache. Das Gegenteil trat ein. Seit Jahren strömen Hunderttausende von Europäern in die Schweiz. Weil sie in dem angeblich „abgeschotteten“ und „isolierten“ Land Arbeit und bessere Lebensbedingungen vorfinden.

Masseneinwanderungs-Initiative als deutliches Signal

Die Schweiz, dieses kleine erfolgreiche Land mitten in Europa, ist den EU-Funktionären ein Dorn im Auge. Doch je mehr Druck Europa auf unseren Finanzplatz, unsere Steuerhoheit und unsere Politik ausübt – und je mehr unsere Regierung einknickt – desto mehr Schweizerinnen und Schweizer wenden sich von der EU ab. Das Abstimmungsergebnis vom Februar 2014 zur Masseneinwanderungsinitiative war ein deutliches Signal. Es war kein Abstimmungsergebnis aus Fremdenfeindlichkeit. Es war vielmehr ein Zeichen des grossen Misstrauens der Volksmehrheit gegenüber der EU. Davon bin ich heute überzeugt.  

Die Stimmberechtigten konnten sich an die Versprechungen erinnern, die in den letzten zehn Jahren bei europapolitischen Abstimmungen wie etwa der Personenfreizügigkeit („Es kommen maximal 8-10‘000 Personen pro Jahr“) oder beim Schengen-Abkommen („Schengen bringt mehr Sicherheit“) oder beim Dublin-Abkommen („Tausende Asylbewerber können jedes Jahr in das Erstaufnahmeland zurückgeschoben werden“) gemacht wurden. Die Schweizerinnen und Schweizer haben ganz einfach eine Bilanz gezogen zwischen den Versprechungen von damals und der Realität von heute. Dann haben sie entschieden.

Die „institutionelle Einbindung“ als grosse Gefahr

Jetzt arbeitet Bundesbern an der „institutionellen Einbindung“. Der Begriff «institutionelle Einbindung» ist in der Schweiz auf Kritik gestossen, weil er mit Souveränitätsverzicht und Unterordnung in Verbindung gebracht worden ist. Deshalb meidet der Bundesrat diesen Begriff seit einigen Monaten. Stattdessen spricht Bundesbern von der «Stärkung (oder aber «Renovation») des bilateralen Wegs» oder von den „Bilateralen III“.

In Wahrheit wird mit der institutionellen Einbindung der Schweiz in die EU-Strukturen ein Verhältnis zwischen Bern und Brüssel angestrebt, das die für bilaterale Verträge gültige Ebenbürtigkeit der Vertragspartner ersetzt durch ein Verhältnis der Unterwerfung. Nicht Stärkung, nicht Renovation, vielmehr Zerstörung des bilateralen Weges ist das wahre Ziel.

Die Schweiz wird mit diesem Abkommen vom ebenbürtigen Vertragspartner, was wir heute sind, zum unterworfenen Befehlsempfänger. Mit anderen Worten: Wir wären faktisch „eingebunden“ wie ein EU-Mitglied, ohne Mitglied zu sein.

Würde der Rahmenvertrag zur institutionellen Einbindung der Schweiz beschlossen, wäre unser Land zur automatischen Übernahme von EU-Recht ohne jede schweizerische Mitbestimmung verpflichtet. Bei Meinungsverschiedenheiten  hätte sich die Schweiz dem EU-Gerichtshof als höchster Entscheidungsinstanz zu unterwerfen.

Könnte die Schweiz einen Entscheid dieses EU-Gerichtshofs oder ein neues EU-Gesetz nicht übernehmen, weil etwa eine Volksabstimmung in unserem Land dies verunmöglicht, müsste die Eidgenossenschaft Sanktionen (also Strafmassnahmen) seitens der EU hinnehmen.

Das mag für Sie alles unfassbar tönen aber es ist die Realität. Daran wird hinter den Kulissen mit Brüssel tatsächlich gearbeitet. Und genau das bereitet mir Sorge.

Mut des Volkes löst Zuversicht aus

Zuversicht löst hingegen der Mut einer Mehrheit des Schweizer Volkes aus, die im Februar gegen den Willen des Bundesrats, der Medien, der grossen Verbände und Parteien, Ja zur Masseneinwanderungs-Initiative gesagt hat. Ich weiss, dass dieser Entscheid knapp war. Und ich respektiere auch die Meinung der anderen Hälfte, die bei dieser Abstimmung verloren hat. Schliesslich gab es viele Gründe, um ja oder nein zu stimmen. Darum geht es gar nicht so sehr.

Wesentlich war das Zeichen, das mit dieser Abstimmung gestellt wurde. Die allermeisten Abstimmungssieger und –verlierer, mit denen ich in den letzten Monaten reden konnte, sind sich in einem Punkt einig, nämlich jenem, dass das Signal nach Brüssel, ob es nun so herausgekommen ist, wie man wollte oder nicht, sehr wichtig war. Es war ein starkes Zeichen für eine souveräne und unabhängige Schweiz. Gegenüber der EU war es vielleicht sogar das wichtigste Zeichen seit der EWR-Abstimmung von 1992.

Wie hier in der Gemeinde Grindel, wollen wir auch in unserem kleinen Land selber zum rechten schauen. Wir brauchen keine Kommissäre oder Funktionäre, keinen EU-Gerichtshof und auch kein EU-Parlament, welche uns reinreden.

Natürlich müssen wir die wirtschaftliche, juristische und gesellschaftliche Zusammenarbeit mit unseren Nachbarn regeln. Aber das können wir mit Verträgen tun, so wie wir es seit Hunderten von Jahren mit allen Ländern der Welt getan haben.

Stärken unseres Landes nutzen

Seien wir ehrlich. Uns geht es nach wie vor gut, nicht weil wir besser sind als andere, sondern weil wir weniger Fehler gemacht haben als andere. So hat unser Land etwa die letzte Finanz- und Wirtschaftskrise besser überstanden, als die übrigen Industriestaaten. Viele europäische Länder haben sich mit mehr oder weniger erfolglosen Stützungsmassnahmen und Eingriffen in die Privatwirtschaft heillos verschuldet. Warum sind wir mit einem blauen Auge davon gekommen?

Ich sehe den Grund einerseits in unserer Eigenständigkeit. Aber auch in unseren kleinen und übersichtlichen Strukturen. Das meine ich politisch wie wirtschaftlich. Dank unserem föderalistischen System konnten viele kleine Massnahmen zur Belebung der Wirtschaft bereits auf den Stufen der Gemeinden oder Kantone getroffen werden.

Ohnehin geplante Projekte aller Art konnten etwas früher ausgelöst werden, um den Wirtschaftsmotor am Laufen zu halten.

Viele kleine Massnahmen sind oftmals besser als eine teure Gesamtlösung. Der Bund hat sich in dieser schwierigen Zeit nicht zu sehr verschuldet. Das war gut.

Auch die wirtschaftliche Struktur mit unseren Hunderttausenden von kleinen und mittleren Unternehmen sorgte bisher immer dafür, dass uns globale Krisen nicht sonderlich getroffen haben. In diesen kleinen und mittleren Unternehmen arbeiten 80 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer. Die KMU sind meistens im Familienbesitz oder werden von echten Kleinunternehmern, so genannten Patrons, geführt, die Verantwortung tragen – auch für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und deren Familien. Keiner von ihnen kann Ende Jahr Millionen-Boni beziehen. Hier herrscht noch Eigenverantwortung, Übersicht, gesunder Menschenverstand und ein hohes Mass an sozialer Kompetenz.

Gestern sagte mir ein typischer Inhaber eines Kleinunternehmens, dass er einem Angestellten für 70 Franken ein paar Feuerwerkartikel geschenkt habe. Dies nur, weil er als Chef erfahren habe, dass die Frau des Angestellten nicht Geld für Feuerwerk ausgeben will. Genau das sind die Patrons, die wirklichen Unternehmer, die unsere Wirtschaft und unser Land stark machen.

Probleme während der letzten Wirtschaftskrise verursachten prompt jene Unternehmen, die phasenweise vom Boden abgehoben haben. Grosse Banken, die mit unmöglich hohen Bonuszahlungen die Risikobereitschaft ihrer Mitarbeiter bis ins Grenzenlose hoch drückten und gleichzeitig den Kunden gegenüber Renditeversprechungen machten, die teilweise unrealistisch waren. Jene, die mit dem Geld und Risiko anderer Profit und Karriere machen, waren für mich noch nie die wirklichen Unternehmer.

Auch in dieser jüngsten Wirtschaftskrise hat sich wunderbar gezeigt, dass der Drang zur unbedingten Grösse kein Vorteil ist, sondern vor allem ein grosses Problem werden kann. Selbst bei Unternehmen. Aber auch bei Nationalstaaten.

Mit dem Alleingang sind wir seit der Gründung der Eidgenossenschaft immer besser gefahren, als eingebunden in eine Grossmacht. Der Erfolg der Schweiz liegt definitiv im Kleinen. Niemand weiss das so gut wie Sie hier im kleinen Dorf Grindel. Es sind die kleinen und einfachen Dinge im Leben, die funktionieren. Grindel ist Schweiz.

Unter diesem Aspekt sind Sie hier in Grindel den Grossen schon voraus. Die Grossen haben nämlich noch nicht gemerkt, dass sie zu gross sind um langfristig Erfolg zu haben.

Die Schweiz ist eine Erfolgsgeschichte. Grindel ist eine Erfolgsgeschichte. Ja selbst die Damenriege Grindel gibt es schon 50 Jahre. Die EU in ihrer heutigen Form noch nicht.

Tragen wir Sorge zum Kleinen.

In diesem Sinne gratuliere ich zum Geburtstag der Schweiz – und natürlich zum Geburtstag der Damenriege Grindel. Ich wünsche Ihnen eine schöne Bundesfeier. 

 

Der Referent erlaubt sich, je nach Situation, auch wesentlich vom Manuskript abzuweichen

 

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